Die Fachschaft Politik kritisiert den von der Universität Tübingen veröffentlichten “Leitfaden zur Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache an der Universität Tübingen” vom 13. März 2019.
Wir freuen uns sehr, dass unsere Universität die Relevanz von Sprache ernst nimmt und anerkennt, dass das generische Maskulinum Ungleichheiten reproduziert. Daher unterstützen wir die grundsätzliche Intention des Leitfadens, Geschlechterungerechtigkeit auch in der Sprache abzubauen. Jedoch stellen wir mit Bedauern fest, dass der Leitfaden nicht geeignet ist, diesem Ziel zuzuarbeiten. Die Universität sieht zwar vom generischen Maskulinum ab, schließt aber durch die gegebene Empfehlung nicht-binäre Menschen weiterhin aus.
Wir möchten die Chance, für geschlechtergerechte Sprache einzustehen, gemeinsam mit unserer Universität nutzen und haben dafür folgende Anmerkungen:
- Der Leitfaden führt als Problem der Beidnennung auf, dass die Verwendung das sog. dritte Geschlecht ausschließt. Dennoch empfiehlt er schlussendlich diese Form der “gendergerechten” Sprache und schließt damit aktiv einen Teil der Studierenden aus. Die Universität muss ein Raum für alle sein, deswegen können wir als Studierendenvertretung das nicht akzeptieren. Die Empfehlung spricht sich gegen das sog. dritte Geschlecht aus, obwohl Menschen sich nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2017 als “divers” ins Geburtenregister eintragen lassen können. Unsere Universität darf nicht im veralteten binären Denken verbleiben. Die Beidnennung spricht lediglich die beiden Geschlechter männlich und weiblich an, stattdessen sollten geschlechterneutrale Formulierungen, Gender_Gap, Gendersternchen oder Kurzformen verwendet werden.
- „…oder Transgender Personen – weder als Frau noch als Mann definieren”. Transgender beinhaltet auch Transexualität und das bedeutet, dass Menschen sich in dem biologischen Geschlecht, in das sie hineingeboren worden, nicht zugehörig empfinden, sondern einem anderen. Transsexuelle Menschen können sich durchaus z.B. als Frau definieren. Das Gendersternchen inkludiert Menschen, die sich selbst keinem binären Geschlecht zuordnen, sondern sich als divers definieren. Im überarbeiteten Leitfaden sollte dieser Teil verständlicher formuliert werden, da Transgender Menschen sich durchaus auch zu einem der binären Geschlechter zugehörig empfinden können.
- Laut dem Leitfaden wird der Lesefluss durch Gendergerechte Sprache negativ beeinflusst. Die Universität Köln zitiert in ihrem Leitfaden zu gendergerechter Sprache eine Studie, in der belegt wird, dass die Formulierung keinen signifikanten Einfluss auf den Lesefluss hat. Das menschliche Gehirn ist an das generische Maskulinum gewöhnt und bedarf einer Umgewöhnung, die nur durch Wiederholung erfolgen kann. Wie so oft bei der Diskussion um Geschlechter und Sexualität, handelt es sich hierbei also um eine menschliche, sozialisierte Hürde, keine biologische.
- Die Aussprache einer geschlechtergerechten Sprache ist möglich, da wie beim Schritftlichen eine Gewöhnungsphase für das Gehirn benötigt wird. Der Leitfaden sieht von Kurzformen, Gender_Gap und Gendersternchen ab, da es “die Barrierefreiheit, wenn Sehbehinderte sich von einem Sprachprogramm Texte vorlesen lassen”, beeinträchtigen kann, jedoch können iOS Programme diese Formen sehr gut vorlesen und Android Programme verbessern sich immer weiter. Die Programme müssen sich ändern, nicht die Menschen.
Wir würden uns sehr freuen, wenn die Universität sich unseren Bemerkungen annimmt und zusammen mit Hilfe von Studierenden einen überarbeiteten Leitfaden erarbeitet.